Interview mit Nadja Vietz, Rechtsanwältin und Abogada mit Büro in Barcelona (http://www.mmmm.es/en). Nadja Vietz hat eine deutsche, spanische und amerikanische Rechtsanwaltszulassung und ist unter anderem Expertin im Immobilien- und internationalen Erbrecht mit spanisch-deutschem Bezug.
Nadja Vietz
Nadja Vietz, viele unserer Kunden besitzen eine Immobilie in Spanien, haben Ihren Erstwohnsitz aber in Deutschland. Diese Situation bringt viele Unsicherheiten mit sich in Bezug auf die rechtlichen Aspekte beim Hinterlassen und Vererben der Immobilien.
Welches Erbrecht gilt denn überhaupt?
Bisher bestimmte deutsches Recht, dass sich das Erbrecht einer Person nach dem Recht des Staates richtet, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes angehörte. Ein deutscher Erblasser konnte sicher sein, dass sich seine Erbfolge nach deutschem Recht richtet.
Dies hat sich ab dem 17. August 2015 geändert. Nach der Europäischen Erbrechtsverordnung Nr. 650/2012 unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Als „gewöhnlicher Aufenthalt“ gilt der Ort oder das Land, in dem sich der Lebensmittelpunkt des oder der Verstorbenen befunden hat. Als nicht nur vorübergehend gilt stets und von Beginn an ein beabsichtigter zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer, kurzfristige Unterbrechungen bleiben dabei unberücksichtigt. Die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts kann schwierig sein, da dieser bereits mit dem Umzug an einen anderen Ort wechseln kann. Schwierig sind auch Fälle, in denen jemand im regelmäßigen Wechsel eine Zeitlang an mehreren Orten lebt und zu diesen jeweils enge soziale Bindungen unterhält.
Wer also für die Zukunft eine Verlegung seines Wohnsitzes nicht ausschließen kann und gleichzeitig nach dem Recht seines Heimatstaates vererben möchte, der sollte die durch die EU-Erbrecht-VO vorgesehene Möglichkeit einer Rechtswahl in Anspruch nehmen, um böse Überraschungen und vor allem Rechtsunsicherheit und damit einhergehende Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Die Rechtswahl muss entweder ausdrücklich in einer Verfügung von Todes wegen – meist ist das ein handschriftliches oder notarielles Testament – erfolgen oder sich zumindest aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung von Todes wegen ergeben. Eine Rechtswahlerklärung kann jederzeit verfasst werden. Aber auch falls schon ein Testament vorhanden ist, sollte dieses geprüft und gegebenenfalls um eine Rechtswahlklausel ergänzt werden, damit auf jeden Fall deutsches Recht Anwendung findet.
Sollte ich ein spanisches Testament verfassen? Muss ich dabei auf eine bestimmte Form achten?
Nach fachkundiger Beratung kann sich die Protokollierung eines Testaments vor einem spanischen Notar durchaus als sinnvoll erweisen, zumal das spanische Testament sich auch nur auf das in Spanien belegene Vermögen erstrecken muss. Wenn ein Testament in spanischer Sprache vorliegt, welches auch den hiesigen Formvorschriften genügt, wird vor allem die Notwendigkeit der beglaubigten Übersetzung deutscher Dokumente wie Erbschein oder Testament und deren dann durch das zuständige Landgericht vorzunehmende Versehung mit der sog. Haager Apostille umgangen.
Dies erleichtert die Abwicklung eines Erbfalls und ist vor allem deshalb wichtig, da die spanische Erbschaftssteuer innerhalb von sechs Monaten nach dem Versterben des Erblassers zu zahlen ist, wobei zuvor eine Erbschaftsannahme in notarieller Urkunde notwendig ist, d.h. es werden zeitaufwendige Behördengänge in Spanien vermieden, wenn ein spanisches Testament existiert.
Das spanische Testament sollte jedoch so verfasst sein, dass es ein eventuell in Deutschland vorliegendes Testament nicht widerruft. Gleichzeitig muss bei späteren deutschen Testamenten darauf geachtet werden, dass diese das spanische Testament nicht widerrufen. Das spanische Testament sollte des Weiteren notariell beurkundet und im Zentralen Register für letztwillige Verfügungen in Madrid eingetragen werden.
Grundsätzlich ist aber auch zu sagen, dass die notarielle Erstellung eines spanischen Testaments nur nach Beratung mit einem deutschen Anwalt vorgenommen werden sollte, damit inhaltliche Fehler nach deutschem Recht oder die Verwendung falscher juristischer Begriffe vermieden werden, was eine spätere Abwicklung des Erbfalles komplizieren könnte. Abzuraten ist von der Erstellung eines handschriftlichen Testaments, da für dessen Anerkennung und die Annahme in Spanien sowie Umschreibungen im Grundbuchregister wieder ein Erbschein notwendig sein wird.
Was kann man noch tun um den Erben zu helfen? Was sollte man vermeiden?
Bei der Verfassung des spanischen Testamentes sollte darauf geachtet werden, dass die Erfordernisse der nach spanischem Recht vorzunehmenden Erbschaftsannahme nicht unnötig erschwert werden. Streng genommen ist eine solche Erbschaftsannahme nicht nötig, wenn im spanischen Testament eine Wahl des deutschen Rechts erfolgt. In der Praxis werden jedoch sowohl der spanische Notar als auch alle andere öffentlichen Ämter die notarielle Erbschaftsannahme verlangen.
Sind mehrere Miterben vorhanden, wird in der Erbschaftsannahme auch die erbrechtliche Zuweisung einzelner Vermögensgegenstände erfolgen. Diese Urkunde – in Verbindung mit dem notariellen Testament – legitimiert den einzelnen Erben gegenüber spanischen Behörden und dem Eigentumsregister, wo nach Zahlung der spanischen Erbschaftssteuer die Umschreibung der Eigentumsrechte oder bei spanischen Banken die Auszahlung von Guthaben erreicht werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist zu bedenken, dass alle außer dem Haupterben benannten Personen wie Kinder oder Pflichtteilsberechtigte die notarielle Erbschaftsannahme zu unterschreiben haben. Das kann unter Umständen zu großen Komplikationen führen, da vereinzelt gar kein Kontakt unter den benannten Personen besteht und somit eine Ladung zu dem vorbereiteten Notartermin zu einem unüberwindbaren Hindernis geraten kann. Es ist daher im Sinne der Beschleunigung des Verfahrens anzuraten, das Testament auf die Nennung der unbedingt zu bedenkenden Personen zu begrenzen, so wie dies auch das deutsche Erbrecht zulässt.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Beurkundung eines spanischen Testamentes allein nicht zu einer steuerlichen Vorsorge in Bezug auf eine mögliche Senkung der z.T. hohen Steuerbelastungen in Spanien führt. Hierzu sollte man sich beraten lassen, damit das Erbe nicht nur zeitsparend, sondern auch kostengünstig angetreten werden kann. So sollte schon geprüft werden, ob das Testament im Hinblick auf die in Spanien zum Teil hohe Erbschaftssteuer sinnvoll gestaltet ist. Vor allem das in Deutschland beliebte Berliner Testament kann zu einer – vermeidbaren – hohen Besteuerung in Spanien führen. Auch die Einsetzung bestimmter weiterer Verwandter oder des nichtehelichen Lebenspartners sollte gut geplant sein, da hohe Erbschaftssteuern ohne Freibeträge eingreifen können.
adacta / www.pixelio.de
Wir haben über eine so gen. Nachlassvollmacht gelesen (SZ, 2010 Auslandsimmobilien
Richtig vererben: http://www.sueddeutsche.de/geld/auslandsimmobilien-richtig-vererben-1.561995-2). Was hältst Du davon? Welche Vor- und Nachteile haben eine Nachlassvollmacht?
Die nach deutschem Recht mögliche sogenannte transmortale oder postmortale Vollmacht kann zu praktischen Schwierigkeiten führen. Wenn diese Wirkung in Spanien entfalten soll, ist das spanische Recht anwendbar. Nach diesem aber ist die Wirkung mit dem Tode des Vollmachtgebers erloschen! Nur wenn die Vollmacht eine ausdrückliche Rechtswahl enthält, kann in eingeschränkter Weise von dieser nach dem Tode des Erblassers in Spanien Gebrauch gemacht werden.
In der Praxis wird eine solche Nachlassvollmacht in Spanien nicht anerkannt werden, weshalb eine intelligente Testamentsgestaltung umso wichtiger wird. Gleichzeitig sollte man die Erteilung von Vorsorgevollmachten, Betreuungsvollmachten und einer Patientenverfügung in Spanien in Erwägung ziehen. So dient die Vorsorgevollmacht dazu, eine Person des Vertrauens zu bevollmächtigen, falls man nicht mehr in der Lage ist, bestimmte Angelegenheiten zu regeln, was für in Spanien vorhandenes Vermögen sinnvoll sein kann. Diese darf nach spanischem Recht nicht als Generalvollmacht gestaltet sein, sondern muss alle einzelnen Befugnisse detailliert auflisten. Für die Nutzung in Spanien sollte die Vollmacht vor dem Notar erteilt sein.
Was muss ich, oder besser gesagt mein Erbe, in Bezug auf die Erbschaftssteuer beachten?
Eine Veranlagung zur spanischen Erbschaftssteuer findet entweder nur für das Spanien-Vermögen statt oder – wenn der Erbe seinen Wohnsitz auch in Spanien hatte – für das gesamte Vermögen des Erben. Erben dürfen dabei zunächst nicht die Sechs-Monatsfrist verpassen, in welcher sie die Erbschaftssteuererklärung hinsichtlich des in Spanien belegenen Nachlasses vor der zuständigen spanischen Steuerbehörde abgeben müssen. Bei der Erbschaftssteuer ist zu beachten, dass es insoweit kein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Spanien gibt, die tatsächlich gezahlte spanische Erbschaftssteuer jedoch in Deutschland angerechnet werden kann.
Die spanischen Erbschaftssteuersätze können je nach Verwandtschaftsgrad, Wert des Erbes und Vermögen des Erbenden hoch sein und die Freibeträge für Kinder und den Ehegatten sind im Vergleich zu Deutschland gering. Die spanische Erbschaftssteuerregelung mit für Nicht-Residente zum Teil extrem hohen Steuerbelastungen wurde durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. September 2014 für unwirksam erklärt. In seiner Entscheidung hatte der EuGH insbesondere die Vorschrift für rechtswidrig erklärt, welche auf EU-Bürger mit Wohnsitz außerhalb von Spanien die Anwendbarkeit von spanischem Recht anstatt vom Recht der jeweiligen autonomen Region vorschreibt. Eine solche Vorschrift führte zur diskriminierenden Behandlung von in Spanien beschränkt steuerpflichtigen EU-Bürgern, da diese nicht die in den verschiedenen autonomen Regionen einschlägigen Steuervergünstigungen, -Befreiungen und –Nachlässe in Anspruch nehmen konnten. Je nach autonomen Regionen sind daher nun auch für Nicht-Residente Steuervergünstigungen möglich, wobei aber in einigen autonomen Regionen schon wieder neue differenzierte Steuersätze für Residente und Nichtresidente erlassen wurden.
Die spanische Erbschaftssteuer kann bei guter Planung und geschickter Formulierung des Testaments erheblich verringert werden. Dabei erfordern unterschiedliche Lebenssituationen unterschiedliche Lösungen.
Wir haben gehört, dass manche ihre Erben schon beim Kauf der Immobilie mit ins Grundbuch eintragen lassen? Macht das Sinn? Kann man eventuell auch nachträglich schenken?
Dies kann Sinn machen, um hohe Erbschaftssteuerzahlungen in Spanien zu vermeiden und ggf. Vermögenssteuerfreibeträge zu nutzen. Wenn künftige Erben schon beim Kauf mit ins Grundbuch eingetragen werden, sollte jedoch darauf geachtet werden, dass dies in Spanien keine Schenkung darstellt, was wiederum zum Anfall der Schenkungssteuer führen würde. Die Schenkung sollte in Deutschland unter Ausnutzung der dortigen Freibeträge erfolgen, wobei bestimmte Formalien beachtet werden müssen. So müssen die zum Immobilienerwerb notwendigen Beträge schon von eigenen deutschen Konten der Erben überwiesen werden, wenn diese beim Kauf der Immobilie als Erwerber mit eingetragen werden sollen.
Wird das Grundstück später erst geschenkt, fällt Schenkungssteuer an. Die in Deutschland bestehenden Freibeträge für Schenkungen im Familienkreis, welche eine Form der intelligenten Nachlassplanung ermöglichen, gibt es in Spanien nicht. Die Schenkung zwischen direkten und engen Verwandten wird in Spanien zwar nur moderat besteuert, aber auch hier ist eine steuerrechtliche Planung unerlässlich. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein Wertzuwachs der Immobilie im Falle der Schenkung separat zu versteuern ist.
Vielen Dank für die Informationen. Wie und wo bist Du am besten zu kontaktieren für eine Rechtsberatung?
Am besten per Email nvietz@mmmm.es oder Telefon +34 93 487 58 94, nach Vereinbarung stehe ich aber auch gern für eine Erstberatung in unseren Büroräumen in Av. Diagonal, 463 bis in Barcelona zur Verfügung.